Nachdem während des Kriegs die Verbindungsgeschäfte hauptsächlich von der Altherrenschaft geführt worden waren, konnte sich durch eifrige Keilarbeit am 17.1.1919 der Verein in einem AC und BC erneut konstituieren. Jede Woche wurden mindestens zwei Pflichtveranstaltungen (Konvent und Kneipe) abgehalten, ständig nahm die Zahl der Verbindungsmitglieder zu. Dieser Wiederbeginn bedeutete jedoch kein Weitermachen wie bis 1914. Die jetzigen Mitglieder waren bis auf wenige Ausnahmen erst nach dem Krieg eingetreten und kannten somit die frühere Zeit nicht. Viele waren Kriegsteilnehmer, die einen Offiziersrang bekleidet hatten und somit Verantwortung trugen und für das vormalige unbekümmerte Studentenleben wenig übrig hatten. Infolge der politischen Wirren von 1919, als sich in Bayern eine Räterepublik zu etablieren drohte, spielte auch die Politik in der Verbindung eine größere Rolle als früher. Das satzungsgemäße Politikverbot wurde aufgegeben, und durch Vorträge und Diskussionen ließ man sich über politische und wirtschaftliche Probleme unterrichten.
Wie nahezu alle Verbindungen erfuhr auch die Erwinia in den zwanziger Jahren einen bedeutenden Aufschwung. Die Verbindungen boten damals den so notwendigen gesellschaftlichen Halt, und von Erwinia wird insbesondere berichtet, dass viele Bundesbrüder in der Verbindung eine große Förderung ihres Studiums fanden. Wie auch vor dem Krieg haben sich die Erwinen durch Austausch von Büchern, Manuskripten und sonstigen Studienhilfen dauernd unterstützt, da dadurch das Studium vielfach intensiviert und verkürzt werden konnte. Zu der Zeit bestand auch eine beachtliche Erwinenbibliothek, für die die Alten Herren Fachbücher und Manuskripte stifteten. Die Zusammenarbeit mit anderen katholischen Studentenverbindungen aus ganz Deutschland wurde intensiviert und viele Bundesbrüder engagierten sich tatkräftig in der Hochschulpolitik.
Höhepunkt dieser Zeit war das 50. Stiftungsfest im SS 1923, das unter großer Beteiligung von Ehrengästen aus Staat, Stadt, Hochschule und Kirche sowie des gesamten Münchener KV abgehalten wurde. Der Festball war ein gesellschaftliches Ereignis, bei dem Mozarts kleine Oper „Bastien und Bastienne“ aufgeführt wurde. Übrigens: Der Geldwert sank damals so rapide, dass der Senior die Miete für den Festsaal in Höhe von 49.000 RM zu Beginn des WS ohne weiteres aus seinem Monatswechsel zahlen konnte.
Um diesem Wachstum Rechnung zu tragen und um den Studenten eine eigene Heimat zu schaffen, wurde 1922 aus der Altherrenschaft heraus ein Hausbauverein gegründet. Durch einige finanzielle Anstrengungen gelang es schließlich, ab 1930 das Heim der „Bürger-Sänger-Zunft“ in der Schwanthalerstraße 35 auf längere Zeit anzumieten und dem Verbindungsleben entsprechend einzurichten. Somit war scheinbar der Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft gelegt.

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